Die Drittel Regel ist der Klassiker, der “All Time Favorite“ in der Schule der Fotografie. Sie wird jedem gelehrt und auch ich habe sie in meinen Workshops und Seminaren gelehrt. Und weißt du was, sie ist gar nicht so schlecht. Gerade für Anfänger bildet sie den Einstieg in die faszinierende und komplizierte Welt der Bildkomposition. Leg dein Hauptmotiv an einen der vier Kreuzpunkte und Boom, du hast deine erste Bildkomposition.
Um sich in dieser verrückten Welt der Fotografie zurechtzufinden, bildet diese Drittel Regel einen leichten und durchaus berechtigten Einstieg. Aber für alles was danach kommt, ist sie fast nicht mehr zu gebrauchen. Hat man als Anfänger nun schon einige Zeit damit verbracht, die Fotografie zu lernen, die Technik zu beherrschen und einigermaßen ansehnliche Bilder zu kreieren, dann ist die Drittel Regel fast hinderlich an der kreativen Entwicklung. Hält man an dieser Regel oder diesem Prinzip fest, wird man, was die Bildkomposition angeht, bald in einem kreativen Loch stecken bleiben. Die Drittel Regel erlaubt nicht viel experimentieren, sie ist sehr geradlinig und erlaubt nur wenig Spielraum.
Wie man ein Bild aufbaut, was wichtig ist, was zu tun ist, läßt sich wohl nie ganz und umfänglich aufschreiben oder erklären, es sind so viele Faktoren daran beteiligt, die ein gutes Bild ausmachen. Allen voran, die eigene Intuition. Was gefällt mir? Was wirkt auf mich stimmig? Das eigene Gefühl spielt im Laufe der Zeit eine immer größer werdende Rolle bei der Bildkomposition und nur so kann man sich als Fotograf weiterentwickeln. Wenn man den ausgetretenen Pfad verlässt und sich auf neue Abenteuer einlässt, experimentiert und die Grenzen neu auslotet.
Licht, Farben, Objekte und natürlich die Geschehnisse selbst. Was hier wann und wo angewandt wird, läßt sich nur schwer erfassen und aufschreiben. Es gibt Motive, da funktioniert die Drittel Regel überhaupt nicht, aber trotzdem läßt sich ein harmonisches ausbalanciertes Bild kreieren. Am Ende kommt es immer darauf an, wie die Dinge im Bild miteinander harmonieren und agieren. Wie sie sich ergänzen und gegenseitig pushen. Bei einem Waldboden, bedeckt mit lauter gleichfarbigen Blättern, läßt sich die Drittel Regel nur schwer anwenden, wenn das Dominierende das sich wiederholende Muster ist. Ein Sonnenuntergang am Meer, schwer hier den Horizont auf einen Kreuzpunkt zu legen.
Einfache Bilder wie das Beispiel mit dem Sonnenuntergang am Meer, baut man nach dem Prinzip Größenaufteilung auf. Das Bild wird in zwei Teile aufgeteilt wobei ein Teil den größeren Part im Bild übernimmt. Dieses Prinzip zerfällt allerdings bei Spiegelungen. Spiegelt sich ein Berg in einem See, will man eine visuelle Illusion erzeugen. Man legt den Horizont genau in die Mitte des Bildes, normalerweise ein absolutes No Go! Man tut dies deswegen, um den Effekt der sich spiegelnden Landschaft zu unterstreichen. Man sieht im oberen Teil das Gleiche, oder nahezu das Gleiche, wie im unteren Teil. Liegt der Horizont genau in der Mitte, ist die Spiegelung eine perfekte Wiedergabe des eigentlichen Motivs. Man arbeitet hier mit Sinnestäuschung. Man könnte quasi das Bild umdrehen und es würde nach wie vor gleich aussehen.
Das Meer
An diesem Bild lässt sich wundervoll darstellen, dass die klassische Drittel Regel hier nicht so recht passen mag. Man hat kein Objekt, kein Hauptmotiv, nur das Wasser und den Himmel. Bei solchen Motiven wende ich gerne das Prinzip der Größenaufteilung an. Ich teile das Bild in einen großen und einen kleinen Teil auf. Das, was ich hervorheben möchte, da wo die meiste Aufmerksamkeit liegt, lege ich in den größeren Teil des Bildes um ihn mehr Raum und Wichtigkeit zu schenken. Der kleine Teil des Bildes ist für Dinge, die ein Gegengewicht erzeugen, das Bild ausbalancieren und es halten. Bei diesem Bild, liegt der Himmel im größeren Teil des Bildes weil er die größte Aufmerksamkeit darstellt. Das Meer beinhaltet zu wenig Informationen, es ist zu langweilig ist aber als Gegenpol wichtig um die Szenerie im Gleichgewicht zu halten.
Farbkontraste
Ein Gestaltungsmittel wäre die Verwendung von Farbkontrasten. Je nachdem, was auf dem Bild zu sehen ist, kann hier natürlich die Drittel Regel angewendet werden, aber wie bei diesem Bild, tat ich mir schwer, die Drittel Regel anzuwenden. Mir gefielen in dieser Gegend die verbrannten tiefschwarzen Baumstämme. Zahlreiche schwarzverbrannte Bäume lagen im Bow Valley Parksway, Kanada herum. Mir gefiel zu allererst das tiefschwarz, als zweites kam die Maserung der Rinde hinzu. Es glänzte fast wie poliert, es faszinierte mich. Ich suchte nach einem interessanten Blickwinkel, nach einer Möglichkeit, dieses tiefschwarz richtig zur Geltung zu bringen. Ich fand diese roten Herbstblätter und nach einigen Versuchen, entschied ich mich, die roten Blätter als Umrahmung zu verwenden um mit dem Farbkontrast Aufmerksamkeit und Spannung zu erzeugen. Farben die auf der entgegengesetzten Farbpalette liegen, erzeugen immer ein interessantes Bild. Ich achtete hauptsächlich darauf, das die Blätter den schwarzen Baumstamm schön umrahmten. Ich versuchte den Baumstamm so weit wie möglich im unteren Bildteil zu positionieren, damit er nach oben etwas Luft zum wirken hat und er nicht genau in der Mitte liegt. Bilder, wo die Objekte etwas aus dem Mittel positioniert sind, wirken für das Auge einfach interessanter.
Da sich der Baumstamm horizontal durch das ganze Bild zieht, kann man auch hier nicht wirklich von der Drittel Regel sprechen. Natürlich könnte man sagen, er liegt auf den unteren zwei Kreuzpunkten. Aber hier wird das Fotohaar gespalten.
Weiss auf Schwarz – Muster
Hat man es auf Muster abgesehen, sowie in diesem Bild die weissen Schneeflecken auf schwarzem Eis, dann traue ich mich behaupten, ist die Anwendung von der Drittel Regel unmöglich.
Hier ist die Aufmerksamkeit, das Hauptmotiv, das sich wiederholende Muster selbst, in diesem Fall die Schneeflecken. Auf was sollte man da achten?
Du solltest darauf achten, dass die Muster im Bildrahmen einen Sinn ergeben. Achte, dass am Bildrand nicht ein Teil des Musters so abgeschnitten wird, dass es für das Auge störend wahrgenommen wird. Hat das Muster vielleicht eine Richtung? Dann positioniere die Kamera so, dass sich das Muster in eine bestimmte Richtung durch das Bild zieht. Diagonal oder in eine bestimmte Richtung zeigend, falls sich noch etwas im Bild befindet
Diagonale Linien
Diagonale Linien, ich weiss nicht warum, aber unser Auge liebt sie. Kurven, S- Linien oder schräg verlaufende Linien. Sie erzeugen Aufmerksamkeit und das Auge folgt diesen Linien, es wird regelrecht geführt.
Bei diesem Bild treffen allerdings zwei Methoden aufeinander. Zum einen haben wir hier die Diagonalen in Form von den Berghängen, die sich von links unten nach rechts oben aufbauen und zum anderen haben wir hier mehrere Ebenen, in Form von den Bergen, die sich bis in den Hintergrund wiederholen. Man hat hier nicht wirklich etwas, was man auf einen Kreuzpunkt legen könnte. Hier ist man besser beraten, sich darauf zu konzentrieren, wie die Linien im Bild verlaufen. Wo beginnen sie und wo enden sie? Linien, die nahe einer Bildecke beginnen, kreieren ein interessanteres Bild als solche, die irgendwo in der Mitte beginnen.
Sie sehen also, es ist verdammt schwierig. Nicht alles lässt sich mit der Drittel Regel so einfach lösen. Es gibt so viele Möglichkeiten und Ansätze sein Bild zu gestalten, dass man sich nicht nur auf ein Prinzip festlegen sollte. Du strauchelst mit einer Bildkomposition? Dann wirf alles über Bord was irgendwelche Fotobücher (und Ich) dir erzählt haben und experimentiere herum.
Das lernen der Bildkomposition ist ein langer Weg und verläuft auf den unterschiedlichsten Pfaden. Es braucht länger als die Technik zu beherrschen. Fangen sie mit der Drittel Regel an und später, wenn sie glauben, dass diese Regel sie eher behindert als weiterbringt, hören sie auf ihr Gefühl. Was fühlt sich gut an, wie wirkt das Bild oder die Bildkomposition. Gefällt ihnen was sie da am Display sehen?