
Für viele ist der Weißabgleich ein Mysterium, etwas, was man am besten nicht angreift. Die Kamera wird es schon machen. Gerade bei Einsteigern, aber auch bei Fortgeschrittenen sehe ich, dass der Weißabgleich keine große Rolle spielt und eher ignoriert wird, als dass man sich etwas damit beschäftigt. Wisst ihr was, ich kann das total verstehen. Als ich mit der Fotografie begann, speziell mit der digitalen Fotografie, bei der Filmfotografie war das nicht wirklich ein Thema, war ich ziemlich verwirrt was Weißabgleich und Farbtemperatur angeht. Was ist was? Was muss ich einstellen? Stelle ich die Farbtemperatur ein? Was ist dann der Weißabgleich? Ach was, die Kamera wird’s schon richten!
In der Naturfotografie spielt die korrekte Farbdarstellung eine entscheidende Rolle. Ob leuchtende Sonnenuntergänge, sattgrüne Wälder oder das tiefblaue Meer – die Farben müssen stimmen, um die Schönheit der Natur authentisch wiederzugeben. Um ein besseres Verständnis über dieses komplexe Thema zu bekommen und zu natürlicheren und schöneren Farben zu gelangen, habe ich versucht das Mysterium Weißabgleich etwas zu lichten.
Was ist der Weißabgleich?
Zu allererst, was ist der Weissabgleich? Für viele ist dieses Thema ein Buch mit sieben Siegeln, so wie für mich in meinen Anfängen. Ich ließ die Kamera den Weißabgleich festlegen und ich tastete diesen nicht an.
Der Weißabgleich (auch WB für „White Balance“) ist eine kamerainterne Funktion, die dafür sorgt, dass die Farben auf Ihren Fotos möglichst naturgetreu und realistisch wiedergegeben werden. Er kompensiert die Farbtemperatur des Lichts in einer Szene, damit Weiß auch wirklich weiß aussieht und alle anderen Farben korrekt dargestellt werden. Der Weißabgleich kann in der Kamera automatisch aber auch manuell oder nachträglich, bei RAW Bildern, in der Bildbearbeitung eingestellt werden.
Die Bedeutung der Farbtemperatur
Licht hat verschiedene Farbtemperaturen, gemessen in Kelvin (K). Tageslicht zur Mittagszeit hat etwa 5500 K, während das warme Licht eines Sonnenuntergangs bei etwa 2000 K liegt. Kunstlichtquellen wie Glühbirnen (etwa 3000 K) oder Neonlichter (bis zu 6500 K) beeinflussen ebenfalls die Farbstimmung eines Fotos. Der Weißabgleich hilft, diese Unterschiede auszugleichen.

Manuelle vs. automatische Einstellung
Moderne Kameras bieten in der Regel einen automatischen Weißabgleich (AWB), der in den meisten Situationen gute Ergebnisse liefert. Mit meiner Canon 5D Mark 4, aber auch mit anderen Canon Modelle, hatte ich nie wirklich Probleme mit dem Weißabgleich, höchstens minimale Änderungen in Lightroom. Aber es gibt doch Situationen, wo der Weißabgleich der Kamera nicht so recht passt. Von der rein technischen Seite mag die Kamera recht haben, aber vom Empfinden her passt einem das Bild dann doch nicht ganz.
Manueller Weißabgleich
In der Naturfotografie lohnt es sich schon mal, die manuelle Anpassung des Weißabgleichs vorzunehmen. Mit dem manuellen Weißabgleich hast du die volle Kontrolle über die Farbgebung und kannst gezielt Stimmungen erzeugen oder betonen. Fotografierst du im RAW Format, hast du diese Kontrolle ebenfalls bei der nachträglichen Bildbearbeitung.
Die meisten Kameras bieten voreingestellte Weißabgleichsmodi wie Tageslicht, Bewölkt, Schatten, Glühbirne oder Neonlicht. Mit diesen Einstellungen kann man hervorragend herum experimentieren um etwas abstraktere Ergebnisse zu bekommen oder schon vor Ort ein Gefühl zu bekommen, wie das Bild mit unterschiedlichen Farbtemperaturen aussieht. Alternativ kannst du den Weißabgleich direkt in Kelvin einstellen, um präziser auf die Lichtverhältnisse einzugehen. Dies ist aber aufwändig und nimmt ein wenig Zeit in Anspruch die man vielleicht nicht immer zur Verfügung hat.
Automatischer Weißabgleich (AWB)
Der automatische Weißabgleich (AWB) analysiert die Szene und versucht, einen Durchschnittswert zu finden, um Farben auszugleichen. Dies funktioniert gut bei gleichmäßigen Lichtverhältnissen, kann jedoch bei extremen Bedingungen wie Sonnenauf- und -untergängen oder bei Schneelandschaften versagen.

Praxis-Tipps für den perfekten Weißabgleich
Um die besten Ergebnisse, was Farben und Farbtemperatur angeht zu bekommen, fotografiere im RAW-Format. Du bekommst so die maximale Flexibilität bei der Nachbearbeitung. Der Weißabgleich kann hier ohne Qualitätsverlust angepasst werden. Bei modernen Kameras funktioniert der AWB Modus (Automatic White Balance) recht gut. Er gibt dir, für die spätere Bildbearbeitung, einen guten Ausgangspunkt wenn nicht sogar einen passenden Weißabgleich.
Lerne die typischen Farbtemperaturen verschiedener Lichtquellen kennen und wie sie sich auf Ihre Aufnahmen auswirken. Klicke dich bei einem Bild durch alle voreingestellten Farbtemperaturen und schau, wie es sich auf das Bild auswirkt. Wie verändern sich die Farben? Welche Stimmung bekommt ein Bild mit einer kühleren Farbtemperatur?
Ein zu warmes Bild zerstört die Farben!
Farben sind das um und auf eines Bildes. Weist ein Bild übersättigte Farben oder einen Farbstich auf, zerstört es ein Bild auf vielerlei Art und Weise. Durch zu hoher Farbsättigung oder der Drift in einen Farbstich, kann ein Bild unscharf und schwammig aussehen lassen. Dies passiert oft, wenn die Farbtemperatur zu hoch, also zu warm, eingestellt ist. Das Bild driftet sehr stark in das warme Farbspektrum ab und die Farben wirken nicht frisch und nicht klar getrennt. Grün und rot gleichen sich an. Es ist keine klare Trennung von den gegenüberliegenden Farben des Farbspektrums zu erkennen. Gerade bei Herbstbildern ist dies fatal. Im Herbst sind meistens alle Farben der Natur vertreten. Grün, Orange, Rot und Gelb gemischt mit erdigen Farben wie Braun und Grau. Verlässt man sich hier nur auf die Kamera, verpasst man die Möglichkeit aus einem gutem Bild ein WOW Bild zu machen.
Um diesen Misstand zu korrigieren. Ist oft nicht viel notwendig, schon eine kleine Korrektur nach unten oder nach oben, kann ein Bild im Aussehen völlig verändern. Korrigiert man ein zu warm aussehendes Bild, sprich, man stellt eine etwas kühlere Farbtemperatur ein, kann es das Aussehen eines Bildes dramatisch verändern. Grün wirkt angenehmer, natürlicher und frischer. Warme Farbtöne wie Orange oder Gelb werden in ihrer Sättigung entschärft und wirken nicht mehr so dominant was der Schärfe eines Bildes zu gute kommt. Überstrahlende Farben schlucken Details von einem Bild das den Eindruck von Unschärfe erweckt.

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Generell kann man sagen, dass eine etwas kühler eingestellte Farbtemperatur zu einem klareren Bildergebnis führt was das Seherlebnis positiv beeinflusst. Aber wie auch bei der restlichen Bildbearbeitung gilt, alles mit Maß und Ziel, man kann hier ebenfalls über das Ziel hinausschiessen und ein Bild eher zerstören als es zu verbessern.
Weißabgleich und kreative Effekte
Neben der korrekten Farbdarstellung kann der Weißabgleich auch bewusst für kreative Effekte genutzt werden. Ein kühlerer Weißabgleich (niedrigere Kelvin-Zahl) verleiht Ihren Bildern eine bläuliche, kühle Stimmung, während ein wärmerer Weißabgleich (höhere Kelvin-Zahl) eine warme, gemütliche Atmosphäre erzeugt.
Aber man kann bereits bei der Motivauswahl auf die Farbtemperatur achten und so interessante Bilder gestalten. Hat man ein Szenerie mit zwei verschiedenen Farbtemperaturen wie zum Beispiel ein im Schatten liegenden Wald im Hintergrund und von der Sonne beschienenen Vordergrund, treffen hier zwei extrem gegenüberliegende Farbtemperaturen aufeinander. Für die Kamera ist dies ein Overkill, sie kann sich nur für eine Farbtemperatur entscheiden. Das Ergebnis ist meistens unspektakulär, hier muss man manuell eingreifen. Vorzugsweise in der Bildbearbeitung. Hier kann man ein Prinzip der Bildkomposition anwenden und zwar das Prinzip der gegenüberliegenden Farben oder Farbtöne. Warm und Kalt, Gelb und Blau. Gegenüberliegende Farben des Spektrums erzeugen Kontrast und Interesse beim Betrachter, es wirkt aufregend und spannend.
Korrigiert man also den Weißabgleich auf den warmen Vordergrund, oder was auch immer, erscheint der Hintergrund oder der Schattenbereich blau. Das Resultat ist ein Bild das Aufmerksamkeit erzeugt. Allerdings muss man bereits bei der Aufnahme auf diesen Umstand achten, man muss schauen wo sich was befindet und den Bildausschnitt sorgfältig wählen.

Das Lightroom Farbtemperatur Paradoxon
Es gibt, was die Farbtemperatur und Lightroom angeht, aber auch bei anderen Bildbearbeitungssoftware, ein kleines Missverständnis oder besser gesagt ein Unverständnis. Keine Sorge, bei mir auch, aber nach ein wenig Recherche kann ich folgende Erklärung dafür bereitstellen.
Was ist das Problem? Nehmen wir einen Sonnenaufgang, er weist eine Farbtemperatur zwischen 2000 und 4000 Kelvin auf. Höhere Werte repräsentieren kühlere Töne bläulichere Töne wie Tageslicht oder Schatten. Die Werte in Lightroom sind aber genau umgekehrt, stelle ich eine niedrigere Farbtemperatur ein, wirkt das Bild kühl und nicht warm. Dies liegt daran, dass Lightroom (und vermutlich auch andere Bildbearbeitungssoftware) nicht direkt mit der Farbtemperatur des Lichts arbeitet, sondern das Bild korrigiert, um eine neutrale Darstellung zu erzielen.
Niedrige Kelvin-Werte in Lightroom – das Werkzeug kompensiert warme Lichtquellen (z. B. Glühlampenlicht), indem es das Bild kühler macht (bläulichere Töne hinzufügt).
Hohe Kelvin-Werte in Lightroom – hier wird die Kompensation für kühles Licht (z. B. Schatten) vorgenommen, indem das Bild wärmer gemacht wird (mehr Gelb/Rot hinzugefügt).
Warum es umgekehrt wirkt liegt daran, dass du die Kelvin-Skala, die du aus der realen Welt kennst, die Lichtquelle selbst beschreibt (z. B. Kerzenlicht = warm = niedrige Kelvin-Werte). Lightroom hingegen verändert das Bild so, dass es diese Lichtquellen neutralisiert. Wenn du eine niedrige Kelvin-Zahl einstellst, nimmt Lightroom an, dass die Lichtquelle warm ist, und gleicht sie durch kühlere Farben aus. Bei einer hohen Kelvin-Zahl geht Lightroom von einer kühlen Lichtquelle aus und kompensiert diese mit wärmeren Farben.
Lightroom funktioniert hier also als Korrekturwerkzeug, das Verständnis des Weißabgleichs in Lightroom hängt also davon ab, dass du den Kompensationscharakter des Werkzeugs berücksichtigst. Es arbeitet nicht mit der Farbtemperatur direkt, sondern mit der Korrektur für die Lichtquelle.
Fazit
Der Weißabgleich ist ein unverzichtbares Werkzeug für jeden Naturfotografen, um die Farben der Natur authentisch und stimmungsvoll einzufangen. Ob automatisch, manuell oder kreativ eingesetzt – mit dem richtigen Weißabgleich holst du das Beste aus deinen Naturfotos heraus. Nutze die Möglichkeiten, die dir deine Kamera und das RAW Format bieten. Experimentiere in der Bildbearbeitung um die Qualität deiner Bilder zu verbessern.