Vielleicht fiel es den ein oder anderen bereits auf, dass es bei mir etwas ruhiger auf den Social Media Kanälen geworden ist. Dafür gab es zwei Gründe. Der erste Grund ereignete sich gleich am ersten Tag des Monats März. Der zweite Grund, der meine Abstinenz schlussendlich dominieren sollte und den Ersten in den Hintergrund stellte, ihn sogar völlig auslöschen sollte, war um einiges heftiger und Lebenseinschneidender.
Grund Nummer 1
Es war frühmorgens am 1. März und es lag eine sehr unruhige und schlaflose Nacht hinter mir. Anstatt mich an meinen Computer zu setzen um an einem Video Tutorial zu arbeiten, legte ich mich nach dem Frühstück auf die Couch und schaute YouTube Videos. Es wollte aber nichts so recht passen, ein jedes Video, egal ob Wandern, Outdoor oder Fotografie, langweilte mich. Ich wechselte also auf mein Handy und scrollte mich durch diverse Social Media Apps. Aber auch hier, es langweilte mich. Facebook, Instagram oder YouTube, es stellte sich ein Gefühl der Oberflächlichkeit ein. Konsumieren ohne registrieren, schauen ohne zu sehen. An diesem Morgen fühlte es sich nach Übersättigung an.
Ich hatte genug! Genug von all dem Content, von Clickbait Titeln, Algorithmus polierten Videos und reißerischen Titeln. Auf Instagram und Facebook wischte man im Sekundentakt durch die Bilder ohne sie wirklich zu betrachten. Reels, Shorts, kurze Videos von sinnlosen Gebrabbel und geistlosen Inhalt. Geklauter oder nachgemachter Inhalt, Trends auf die jeder aufspringt um ein Stück des vermeintlichen Kuchen zu erhalten und die mir auch einen noch so guten Song verderben. Ein belangloser Einheitsbrei.
Was tat ich da eigentlich? Ich verschwende meine Zeit mit kurzen verblassenden Eindrücken aus aller Welt. Geistloses konsumieren von portionierten Häppchen in Form von Bild und Video. Keine Qualität, keine Individualität, keine Authentizität. Bin ich hier gleich? Mache ich das selbe wie alle anderen? Mache ich Videos wie jeder andere YouTuber? Fülle ich Instagram mit der gleichen Absicht wie Millionen anderer?
Genervt von meinem eigenen Verhalten, fasste ich also einen Entschluss, ich brauche eine Pause. Ich löschte alle Apps, bis auf YouTube, leider. Es war Monatsanfang, also perfekt für ein Experiment. Ich fasste den Entschluss, den ganzen Monat März ohne Social Media auszukommen. Totaler Entzug! Ich wollte mich nicht mehr beeinflussen lassen, keine vermeintlichen Trends unbewusst folgen, keinen Stil still und heimlich adaptieren. Ich wollte wieder Bilder und Motive suchen, die ich wirklich fotografieren wollte, meine Fotografie betreiben so wie ich sie wirklich machen möchte ohne auf andere zu schauen und neidisch zu werden.
Ich suchte in meiner Bibliothek nach einem Buch, dass ich von nun an überall mit hin nehmen wollte und anstatt mich durch die Welt zu wischen, zu lesen.
Die ersten Anzeichen, dass ich von all dem genug hatte, war die Videoserie von Thomas Heaton über sein Mongolei Abenteuer. Normalerweise hätte ich mir diese Videos mit Genuss angesehen, aber irgendwie sträubte sich mein Unterbewusstsein, ich hatte das Gefühl, dass eher Neid oder ein Gefühl von Unzufriedenheit sich breit machen könnte. Es war zu groß, zu weit weg zu unnormal. In einer für mich zurzeit turbulenten und schwierigen Zeit, sehne ich mich nach Einfachheit. Einfache Geschichten, Abenteuer vor der Haustüre aber vor allem Geschichten. Gute unaufgeregte, unspektakuläre Geschichten von Menschen die einer Leidenschaft nachgehen. Bilder oder Videos die zum entspannen einladen und die einem die Zeit und Sorgen vergessen lassen. Bis heute habe ich mir die Videoserie von Thomas Heaton und sein Mongolei Abenteuer nicht angesehen.
Social Media und auch YouTube sind zu einer Hochglanz Kultur verkommen. Ein spektakuläres Foto nach dem anderen, ein noch größeres Abenteuer, alles noch größer, noch besser und noch glanzvoller. Was mich bei YouTube in letzter Zeit extrem stört, sind diese reisserischen Clickbait Titel und Vorschaubilder – “Du wirst nicht glauben was als nächstes passierte“ – “Das einzige Video, dass du über Landschaftsfotografie sehen musst“ – “5 Tipps von dies, 5 Tipps von das“ und so weiter. Streng genommen sind meine Videos auch Tipp Videos und vielleicht habe auch ich solche Titel verwendet (ich vermeide jetzt bewusst in meinem Videoarchiv danach zu suchen), aber ich versuche immer das Ganze in eine Geschichte zu verpacken. Jeder ist immer bestrebt sich weiterzuentwickeln, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist, aber sie vergessen dabei sie selbst zu sein. Alles wird auf den Algorithmus ausgelegt, optimiert für eine bessere Akzeptanz bei den Zuschauern. Intro nicht länger als eine Minute, das Video nicht länger als 10 Minuten, Informationen schnell liefern damit der Zuschauer nicht abspringt ihn aber lange genug halten damit die Wiedergabezeit länger ausfällt, bla bla bla.
Viele versuchen nicht mehr eine Geschichte zu erzählen, es wird nurmehr produziert um den Algorithmus zu bedienen. Keine Ahnung ob das jetzt stimmt, aber ich empfinde es zurzeit so. Natürlich gibt es Ausnahmen wie zum Beispiel Drew Simms, er veröffentlicht alle paar Wochen oder Monate ein Video, macht eigentlich alles falsch was man auf YouTube nur falsch machen kann um Erfolg zu haben und trotzdem geben die Zahlen ihm recht. Seine Videos sind Meisterwerke, sie nehmen einem mit, man ist dabei. Natürlich in spektakulären Plätzen wie seine Yellowstone Serie, aber sein Stil ist ruhig, einfach und Bildgewaltig.
Mache ich von der Fotografie eine Pause?
Ich mache nicht von der Fotografie Pause, im Gegenteil, ich möchte mich wieder mehr mit den Fotografen selbst beschäftigen, mich intensiver mit ihrer Arbeit auseinandersetzen, sprich, ihre Webseiten besuchen so wie ich es früher getan habe. Social Media hat die negative Eigenschaft, einen zu übersättigen. Zu viele Bilder, zu viele Informationen in einer noch kürzeren Zeit, von allem einfach zu viel. Man bekommt den Eindruck, dass alle ununterbrochen unterwegs sind um neue Bilder, Videos und neuen Content zu produzieren. Das entspricht aber nicht der Wahrheit oder der Realität. Stories, Reels, Shorts! Dauer Berieselung mit zum großen Teil belanglosen Zeugs wie Huskies die lustige Dinge tun, gut, die sind wirklich witzig, aber, ich möchte wieder mehr filtern und wählen, wählen was ich mir ansehe und vor allem wie lange ich mich damit beschäftige.
Man bekommt oft den Eindruck, dass ein Fotograf jeden Tag ein Hammerbild nach dem anderen raushaut, jede Woche eine tolle Location nach der anderen besucht. Aber das ist nicht die Realität! Dies kann Verzweiflung, Neid und Frustration hervorrufen, sogar noch bei mir obwohl ich es besser weiß.
Der Monat März ist vorbei und ich muss sagen, Social Media fehlt mir bislang kein bisschen und ich habe auch keine Entzugserscheinungen. Wie es jetzt nach dem März weitergeht kann ich noch nicht sagen. Natürlich dient mir als Fotograf Social Media, es bietet viele Vorteile, ich habe gerade über Facebook viele Zugriffe auf meinen Blog. Aber, ginge das auch anders? Etwas gesünder? Ich möchte die Leute mehr auf meine Webseite bringen, sie in Geschichten hineinziehen, ob mit einem Video oder einen Artikel.
Die eigene Webseite
Verlässt man sich auf andere Plattformen, hat man keine Kontrolle über seinen Inhalt oder die Zukunft dieser Plattform. Man sieht dies gerade sehr schön am Beispiel TikTok. In Amerika diskutierte man über ein Verbot von TikTok. Aus welchen Gründen auch immer. Zahlreiche Influenzer liefen dagegen Sturm da es ihnen ihre Lebensgrundlage entziehen würde. Dies brachte mich auch wieder vermehrt dazu, darüber nachzudenken was es bedeutet, sich zu sehr von einer Plattform wie Instagram oder Facebook abhängig zu machen. YouTube ist hier ein Paradebeispiel. Viele haben sich eine Karriere mit YouTube aufgebaut, sie sind regelrecht darauf angewiesen wie eben Thomas Heaton, Nigel Danson oder Adam Gibbs. Was wäre, wenn YouTube sich radikal ändern würde? Was, wenn das Geschäftsmodell, dass man sich aufgebaut hat, plötzlich nicht mehr funktioniert? Auf was greift man dann zurück?
Grund Nummer 2
Das Leben hält immer Überraschungen für einen parat!
Als ich dieses Experiment und diesen Blogartikel startete, war meine, unsere Welt noch in Ordnung. Leider hat das Leben immer andere Pläne für uns und wirft von einem Tag auf den anderen alles über den Haufen. Von der ursprünglichen Intention, Social Media für einen Monat zu vermeiden, ist nicht mehr viel übrig. Auf einen Schlag war Social Media, YouTube und die Fotografie unwichtig. Alles wurde unwichtig! Der Grund hatte sich schlagartig geändert als ein geliebter Mensch nach einem langem Überlebenskampf verstarb. Über Nacht, ohne jegliche Vorzeichen, änderte sich unsere Welt. Ein Mensch, der sehr wichtig in meinem Leben geworden ist und der mir sehr nahe stand, ein Freund, Stiefvater – ein Vater! Das Leben änderte sich schlagartig, es warf mich aus der Bahn. Nichts war mehr von Bedeutung, alles glitt in die Nebensächlichkeit ab.
Keiner weiss was vor einem liegt und dies wurde mir in dieser Nacht schmerzlich und eindrücklich vor Augen geführt. Es regt einem an, sein Leben neu zu überdenken, es neu zu ordnen, Prioritäten neu zu definieren und zu bewerten. Das große Puzzle des eigenen Lebens, dass man all die Jahre versucht mühselig zusammenzusetzen, in ein großes Bild zu verwandeln. Wie passt meine Fotografie hinein, meine Beziehung, meine Familie, meine Arbeit und meine Verpflichtungen. Wie bringe ich alles unter einem Hut um vom Leben selbst, von dem was wirklich wichtig ist, nichts zu verpassen und am Ende nichts zu bereuen? Es ist momentan nicht so viel Zeit für Social Media, meine Webseite, YouTube oder für die Fotografie vorhanden. Aber, ich möchte nichts davon aufgeben, die Herausforderung wird sein, die Priorität für jeden einzelnen Punkt neu zu setzen.
YouTube
YouTube wurde ein sehr wichtiges Werkzeug für meine Fotografie. Ich erlangte einen größeren Bekanntheitsgrad, was ich nur mit meinem Blog nicht geschafft habe. Ich habe YouTube viel zu verdanken und natürlich auch meinen Abonnenten. Ich möchte mich auf diesem Wege bei jeden einzelnen von euch bedanken die über die letzten Jahre hinweg mir treu geblieben sind. Ihr seit für mich ein wichtiges Puzzleteil in meinem Leben geworden. Es ist eine treue Community entstanden, mit der ich mich austauschen und meine Geschichten teilen kann.
YouTube wird immer ein Teil von mir und meiner Fotografie bleiben, in welcher Form auch immer.
Ich bleibe YouTube erhalten.
Facebook, Instagram und Co.
Tja, wie es mit diesen Plattformen aussieht, keine Ahnung! Ich habe nach wie vor kein wirkliches Interesse, die Apps dieser Social Media Plattformen zu installieren, sie fehlen mir nicht. Ich habe sie, um ehrlich zu sein, auch nie wirklich verstanden. Zwar habe ich mir auf Instagram ebenfalls eine kleine feine Community aufgebaut, aber ich könnte nicht behaupten, dass ich daraus so viel ziehen kann wie aus YouTube. Es macht einfach nicht so viel Spaß wie YouTube.
Deswegen, keine Ahnung wie es weitergeht. Vielleicht fange ich wieder an, auf diesen Plattformen zu posten.
Die Zeit läuft!
Wann seit ihr das letzte Mal vor einem Lagerfeuer gesessen und habt dem Klang des Feuers gelauscht? Ohne Handy und ohne zu sprechen. Wann habt ihr das letzte Mal bewusst einen Moment erlebt? Als ihr auf einem Berg gestanden seid oder vor einem See und dem Geplätscher des Wassers am Ufer wahrgenommen habt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich im Hier und Jetzt verbracht habe. Meine Gedanken, mein Gehirn läuft immer voraus und beschäftigt sich schon mit Dingen die noch in der Zukunft liegen oder mit Problemen, die noch gar nicht real sind. Man vergisst den Moment zu leben, zu geniessen und das was vor einem liegt wirklich zu sehen. Dies ist es, was ich in Zukunft versuche wieder vermehrt in meinem Leben umzusetzen, den Moment bewusst zu erleben, sich Zeit nehmen für das was vor einem liegt und wirklich zu sehen und nicht nur als Kulisse wahrzunehmen. Die Gedanken auf das Hier und Jetzt zu richten und auszublenden was morgen, nächste Woche oder in den nächsten Stunden ist.
Wann hat man sich für jemanden Zeit genommen, jemanden geholfen nur um ihm zu helfen ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Das Leben spielt nicht fair und es ist hart und ungerecht umso wichtiger ist es, dass wir selber darauf schauen, es so zu leben, dass es angenehmer und fairer wird. Die harten Zeiten kommen von ganz alleine.
Es gibt eine schöne Analogie. Wer schon mal geflogen ist, kennt vielleicht diesen Satz – “Lege zuerst selber die Sauerstoffmaske an, dann kümmere dich um die Anderen“.
Dies kann man sehr gut auf das eigene Leben anwenden. Schaue zuerst auf dich, dass es dir gut geht. Hat man das eigene Leben im Griff, geht es einem selber gut, dann geht des den Menschen in deinem Umfeld auch gut.
Hi Jürgen,
erstmal mein Beileid!
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich was öffentlich schreibe, ausser gelegentlich einen Kommentar in der
fc ( Fotocommunity ). WhatsApp, Facebook und andere Social’s habe ich nicht und vermisse auch nichts.
Bin kein Abonnent von deinem YouTube-Kanal, schau mir aber deine Videos in der Regel alle an.
Und zwar genau aus dem Grund den Du in deinem Beitrag ansprichst! Immer größer, spektakulärer und weiter muss es bei den bekannten YouTuber sein…., egal ob die Spots, Reisen oder die Hardware….
Bei mir führt das dazu, dass ich mir diese Videos kaum bis gar nicht mehr ansehe.
Deine Videos schaue ich so gerne, weil sie so unaufgeregt und authentisch sind und für mich das wiedergeben, um was es eigentlich bei jedem Hobby gehen sollte. Und das ist für mich der Spass und die Freude daran – scheissegal ob am Ende des Tage was dabei rauskommt…
Bei vielen ist es nur noch ein abarbeiten von Hot-Spots und glaub mir ich weiss von was ich speche – bin selbst viel mit dem Camper unterwegs und besuche, wenn man in der Nähe ist natürlich auch die Spots…
LG Andreas
Hallo Andreas und vielen Dank!
Zurzeit schaue ich nicht viele Kanäle, die mir das bieten was ich gerne sehe. Natürlich verreise auch ich gerne, aber manchmal hat man den Eindruck, dass es ohne nicht mehr geht auf YouTube und Co.
Ich liebe ebenso ruhige unaufgeregte Videos die mich zum abschalten animieren.
LG
Jürgen
Hallo Jürgen
Mein aufrichtiges Beileid. Weine nicht weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war!
Danke für diesen Blogbeitrag. Mir erging es mit Social Media genau gleich gegen Ende des letzten Jahres. Habe zwar keine komplette Auszeit genommen, aber 2 Monate lang nichts mehr gepostet. Das ärgerliche an Social Media ist der Lieferzwang, die Jagd nach Likes und co. Man rutscht irgendwie rein, auch wenn man sich einredet, dass es doch egal ist. Völlig absurd, eigentlich. Ich glaube ich konnte mich mal befreien.
Im dem Zusammenhang kann ich dir auch folgenden Blogbeitrag empfehlen: https://www.metacheles.de/wie-der-like-button-das-internet/
Beste Grüsse nach Österreich! Christian
Vielen Dank Christian,
die Zeit wird es richten.
Ja, ich habe Social Media, bis auf YouTube, völlig den Rücken gekehrt. Ich habe keine einzige App installiert und schaue auch nicht vom Desktop aus. Ich muss sagen, es fehlt mir kein bisschen. Da ich die Fotografie nicht Hauptberuflich betreibe, bin von diesen Plattformen jetzt nicht so abhängig.
Mal schauen, wie lange ich diese Abstinenz halte.
Grüße
Jürgen
Hallo Jürgen,
Ein sehr toll geschriebener Beitrag. Du bringst es auf den Punkt!
Mein Aufrichtiges Beileid zu deinem Verlust und Viel Kraft für diese schwere Zeit!
Lass dir Zeit mit dem nächsten Video. Darauf freue ich mich, aber auch darauf dass du einmal für dich gutes tust! Das ist viel wichtiger. Genieße die Momente und lebe im hier und jetzt!!!
Liebe Grüße
Mattias
Vielen Dank Mattias, es wird seine Zeit dauern, bis man wieder mit alter Energie loszieht. Wie überall im Leben heisst es, die richtige Balance zu finden.
Grüße
Jürgen