Das croppen oder zu deutsch, das zuschneiden von Bildern auf ein anderes Seitenverhältnis (Format) als das, was die Kamera liefert, wurde oft als, sagen wir mal, tricksen oder cheaten erachtet. Es gibt zwei Gründe, warum man ein Bild zurechtschneidet. Entweder man hat bei der Aufnahme geschlampt und man versucht so das Bild irgendwie zu retten, oder, man will die Bildaussage ändern oder verstärken.
Wenn man seine Arbeit draussen im Feld richtig macht, braucht man nachträglich ein Bild nicht zuschneiden. Tja, ich selber war lange der gleichen Meinung aber seit ein paar Jahren habe ich die Macht des richtigen Seitenverhältnisses zu schätzen gelernt. Ich fotografiere seit Beginn mit Canon, also mit einem nativen Seitenverhältnis von 2:3 oder 3:2 je nachdem. Ich habe früher dieses Seitenverhältnis nie angerührt, höchstens etwas verkleinert falls ich irgendwo einen Ast oder sonstiges übersehen habe. Aber ich habe gelernt, das jedes Seitenverhältnis seinen Zweck hat. Es ist nicht nur um lästiges aus dem Bild zu halten, nein, das richtige Seitenverhältnis auf das richtige Bild angewendet, ändert unter Umständen die komplette Bildaussage.
Fangen wir aber ganz unten und einfach an. Wir Fotografen versuchen den vorhandenen Rahmen, also die Größe des Sensors oder Film zu füllen. Der gewählte Bildausschnitt muss mit einem Motiv und Objekten gefüllt werden. Und das aber nicht irgendwie, durch die Anwendung einer Bildkomposition, das arrangieren von Objekten in einem vordefinierten Rahmen, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, dem Bild einen Sinn zu geben und um harmonisch und ausgewogen zu wirken. Aber was, wenn die Objekte so platziert sind, dass sie in dem gewählten Rahmen nicht sinnvoll angeordnet werden können? Selbst wir Naturfotografen können mit unseren Gedanken keine Berge versetzen.
Ein Bild soll so aufgebaut sein, dass alles was sich darin befindet eine Balance ergibt und die einzelnen Objekte miteinander harmonieren. Der Blick des Betrachters soll im Bild herumwandern ohne wo hängenzubleiben oder gestoppt zu werden. Das wäre der Idealfall. Er soll auch nicht zu uninteressanten Bildteilen geführt werden wo er sich fragt – “Was soll ich jetzt davon halten“.
Um dieses zu erreichen, muss der verfügbare oder vorhandene Bildausschnitt optimal genutzt werden, um den Betrachter in einen Rhythmus zu versetzen.
Alles was ich im folgendem hier versuche zu erklären, ist mein ganz persönlicher Geschmack. Es sind meine ganz persönlichen Betrachtungen und Ansichten beim Thema Seitenverhältnis und croppen. Geschmäcker und Meinungen sind verschieden, deswegen stellt dieser Artikel meine Art zu arbeiten dar. So wie ich meine Bilder gestalte.
Bereit? Bereit etwas tiefer in die mystische Welt der Bildkomposition abzutauchen, um einen kleinen Teil des großen Ganzen zu entwirren?
Na dann los!
Warum eigentlich verschiedene Seitenverhältnisse?
Ich gehe hier jetzt nicht auf die Geschichte der einzelnen Seitenverhältnisse ein und woher sie stammen. Es sei nur soviel gesagt, jedes Format, 2:3, 4:5, 16:9 sind keine willkürlich gewählten Seitenverhältnisse. Sie folgen zum Teil mathematischen Prinzipien des Goldenen Schnitts. Sie sind uralt und die Fotografie hat diese Formate übernommen.
Zum einen hängt es vom persönlichen Geschmack ab, was für das eigene Auge am besten wirkt. Verlaufen Linien im Bild wie Äste oder ein Bergkamm, die im Originalen etwas aus der Balance oder falsch am Platz wirken, kann man diese Linien in einem anderen Seitenverhältnis vielleicht besser positionieren. Zum anderen vom Motiv und welche Bildwirkung, beziehungsweise Aussage man damit erzielen möchte.
Jedes Seitenverhältnis, oder Bildformat, kann man dazu verwenden um verschiedene Bildaussagen zu erreichen und dem Betrachter gewisse Betrachtungswinkel aufzudrängen.
4:5 und 1:1 Formate sind für mich eher um den Blick konzentriert zu halten, wenig Bewegung im Bild zu zulassen, wenn es nicht förderlich ist, den Blick weit umherschweifen zu lassen. Das 4:5 Seitenverhältnis verwende ich sehr gerne für das Hochformat. Es wirkt nicht so in die Länge gezogen, was bei manchen Motiven etwas seltsam anmutet.
Das 16:9 Seitenverhältnis hält den Blick überwiegend auf der horizontalen Ebene. Es läßt den Blick von einer Seite zur anderen schweifen und vernachlässigt fast völlig die vertikale.
Welche Seitenverhältnisse benutze ich am meisten?
Meine Kamera hat das native Seitenverhältnis 2:3, das klassische Kleinbildformat. Aber ich arbeite, oder croppe meine Bilder gerne in die folgenden Seitenverhältnisse:
4:3
4:5
16:9
1:1
Bei meiner Kamera habe ich die Möglichkeit, diese Seitenverhältnisse bereits in der Kamera einzustellen, mit Ausnahme des 4:5 Formats. Hier croppe ich oft nachträglich in Lightroom von 4:3 auf 4:5, falls erforderlich. Der Vorteil von meiner Kamera, ich kann dies in Lightroom wieder rückgängig machen und auf das 2:3 Format zurück gehen.
Das 4:5 Format
Wenn man so will, das Format der wahren Landschaftsfotografen. Früher, noch lange vor digital, waren Landschaftsfotografen, die was von sich hielten und nach hoher Auflösung aus waren, mit einer 4×5 Großformatkamera unterwegs. Oder, wer es noch eine Nummer größer haben wollte, mit einer 8×10 Feldkamera. Aus dieser Ära stammen also die klassischen 4:5 Bilder, die mir so gut gefallen. Das Aussehen eines 4:5 Bildes gefällt mir einfach, es hat für mich was ästhetisches und Anmutiges. Es beschreibt einen etwas engeren Rahmen, wirkt bei der Bildkomposition kompakter und dichter. Gerade bei Aufnahmen mit einem Teleobjektiv verwende ich dieses Format sehr gerne, wenn es zum Motiv passt.
Aber es gibt auch Gründe, die durch die Bildaufteilung, Bildkomposition und die Positionierung der Objekte definiert werden.
Betrachtet man sich diese zwei Versionen, kann man feststellen, dass die Wirkung der Bildaussage sehr unterschiedlich ist.
Das 2:3 Bild (links) wirkt in der Vertikalen sehr in die Länge gezogen und schmal. Der Himmel, nicht ganz uninteressant, nimmt fast die Hälfte des Bildes in Anspruch. Von der Bildaufteilung kann man jetzt nicht unbedingt behaupten, dass dieses Bild schlecht ist. Im Himmel sind einige Details in Form von Wolken, die dem Betrachter durchaus etwas zum erkunden lassen. Die Frage ist, wieviel Zeit sollte der Betrachter für den Himmel aufwenden. Kann man den Blick vielleicht mehr auf das Hauptinteresse, dem Gebirge, lenken? Die Frage ist bei diesem Beispiel nicht, wie kann ich ein schlechtes Bild in ein Gutes verwandeln, die Frage lautet, wie kann ich eine gute Bildkomposition noch weiter verbessern?
Das 4:5 Bild (rechts) lenkt den Blick auf das, was für das Bild am wichtigsten ist, zumindest für mich, und zwar das Gebirge. Es wurde nicht weiter hineingezoomt oder irgendwelche Photoshop
Tricks angewandt, das Einzige was vorgenommen wurde, war das Seitenverhältnis von 2:3 auf 4:5 zu croppen. Alleine durch diese Maßnahme ändern sich die Beziehungen der drei Haupteile im Bild. Dem Himmel, dem Gebirge und dem Wald im Vordergrund. Der Fokus wird verstärkt auf das Gebirge und das Waldgebiet im Vordergrund gelegt. Der interessante Himmel rundet das Bild nach oben hin dezent ab ohne die Aufmerksamkeit zu sehr an sich zu reissen.
Bei 4:5 Bildern wird ebenfalls die Bewegungsreichweite des Auges stark reduziert. Es wird der Blick ziemlich statisch gehalten, zielgerichtet auf die Hauptaufmerksamkeit, in diesem Fall dem Gebirge.
Bei diesem Bild gefielen mir die hellen, fast schon weißen Bäume in der linken Bildhälfte.
Sie stachen aus dem eher dunkelgrün des Waldes hervor. Ich versuchte mich nachträglich in Lightroom an den verschiedensten Seitenverhältnissen, kam aber zu dem Schluss, dass das 4:5 Format am besten die Bildaussage transportiert.
Die hellen Bäume rücken somit mehr in den Vordergrund und harmonieren und interagieren besser mit der Umgebung und den anderen Bäumen. Dies erzeugt eine angenehme Balance.
Das 16:9 Format
Dieses Format wurde früher auch oft als das Kinoformat genannt. Lange ist es her. Dieses Format verwende ich gerne für große weite Landschaften, wo ich die ganze Breite einer wundervollen Landschaft zeigen möchte. Die Leserichtung bei solchen Panoramabildern verläuft überwiegend horizontal, auf vertikaler Ebene spielt sich hier nur sehr wenig ab. Der Betrachter verbringt die meiste Zeit damit, das Bild von einer Seite zur anderen zu lesen. Es soll das Gefühl von Weite vermittelt werden. Ich ordne das 16:9 Format bereits in die Kategorie Panorama ein, da ein, sagen wir mal, 6×17 Panoramaformat genau die selben Ansprüche erfüllen möchte.
Durch das flach beschnittene Bild, der obere und untere Bildrand werden stark beschnitten, erleichtert man dem Betrachter den Zugang und führt ihn ohne Umwege zur horizontalen Betrachtungsweise des Bildes. Achte selbst einmal darauf, wo der Bildinhalt sich nur auf einer horizontalen Ebene abspielt. Wenn das Auge einmal in die vertikale zu suchen beginnt, stößt es vielleicht auf leere oder uninteressante Flächen beziehungsweise auf Dinge, die von der eigentlichen Bildaussage ablenken.
Auch hier gilt wieder, es heißt nicht, wie kann ich ein schlechtes Bild in ein Gutes verwandeln, die Frage lautet, wie kann ich eine gute Bildkomposition noch weiter verbessern?
Als Fotograf muss man ein Bild so gestalten, dass es für den Betrachter angenehm, nicht unbedingt leichter, aber verständlich zu lesen ist. Er darf auf seinem Weg durch das Bild keine Ablenkungen erfahren, was seine Meinung über das Bild ins negative beeinträchtigt. Egal wo und wie sein Blick im Bild verläuft, er muss stets begeistert sein. Und mit der richtigen Wahl des Seitenverhältnisses, können wir ihn diesen Zugang erleichtern. Wir müssen, naja, wir können die Stärke eines Motivs, eines Bildaufbaus, einer Bildkomposition erkennen und sie mithilfe des passenden Seitenverhältnisses weiter verbessern.
Aber nicht nur große und weite Landschaften eignen sich für das 16:9 Panoramaformat. Auch Ausschnitte aus dem großen ganzen wie bei dem folgendem Bild.
Dieses Bild erzählt seine Geschichte ebenfalls in der horizontalen Ebene. Rechts der dicke Baumstamm, der Ausgangspunkt wenn man so will. Die Äste ziehen sich dann eher horizontal von rechts nach links durch das Bild. Um diese Leserichtung dem Betrachter zu vermitteln und ja, vielleicht sogar aufzudrängen, hab ich mich für das 16:9 Format entschieden, weil für mich die Bildwirkung so am besten transportiert wird. Ich bestimme, wie das Motiv wahrgenommen werden soll.
Das 1:1 Format
Das 1:1 Format ist für mich eine Wahl, die in Bezug auf Ästhetik, einen sehr hohen Anspruch bedient. Es ist quasi das Fine Art Motiv, das Ausgefallene. Der sehr limitierte Bereich, in dem man seine Objekte, meistens nur ein Objekt, positionieren kann, eignet sich eher für sehr minimalistische Motive. Szenerien, wo sich nur sehr wenig abspielt. Einzelne Objekte oder aber auch Muster, die den ganzen Rahmen füllen. Wenn in einem 1:1 Rahmen zu viel los ist, wirkt es, als ob das Bild gesprengt werden würde. Zumindest empfinde ich dies so. Deswegen habe ich hier überwiegend einzelne Objekte oder abstrakte Formen und Muster, die ich in dieses Format zwänge.
Das obige Bild zeigt ein sehr schönes Beispiel von einem ruhigen minimalistischen Bildaufbau. Das Hauptmotiv ist der Baum im Vordergrund, er dominiert den Rahmen und bildet gleichzeitig
mit seinen Ästen einen schönen Abschluss am oberen Bildrand. Die große “leere“ Fläche, die Wiese, nimmt fast die Hälfte des Bildes in Anspruch während die Bäume im Hintergrund für einen schönen Gegenpol sorgen. Diese Szenerie funktioniert aber auch in einem 4:5 Format, aber für mein Auge passt es im 1:1 einfach besser.
Wann also 2:3 Format
Ich muss zugeben, ab und an verlauf ich mich etwas zu sehr in den Bildformaten und vergesse dabei völlig, dass das 2:3 Format auch nicht so übel ist. Ich habe mein Gehirn schon so auf das 4:5 Format konditioniert, dass es mir teilweise schwer fällt, Bilder im 2:3 Format zu gestalten.
Bei diesem Beispiel habe ich das 2:3 Format belassen, obwohl es im Hochformat aufgenommen wurde. Der Grund, jeder Teil des Bildes ist mit Informationen gefüllt, die der Bildwirkung förderlich sind.
Der Betrachter hat im ganzen Bild interessante Dinge zu entdecken, ein croppen auf ein kleineres Format wie 4:5 hätte hier keinen Vorteil gebracht. Ausserdem hätte ich wichtige Details abgeschnitten. Natürlich hätte man die Bildkomposition anders anlegen können um ein anderes Format zu bedienen, aber hier funktioniert das 2:3 Format am besten.
Auch bei dem folgendem Beispiel ist das native Bildformat geeigneter. Die Leserichtung ist horizontal sowie vertikal. Der Betrachter kann vom unteren bis zum oberen Bildrand auf Entdeckungsreise gehen aber auch von links nach rechts. Der gesamte Bildausschnitt ist ausgewogen und harmonisch und weist keine uninteressanten Stellen auf.
Eigene Intuition
Nach all den doch sehr umfangreichen und tiefgreifenden Informationen, sollte man sich aber davon nicht zu sehr abschrecken lassen. Hört sich, oder liest sich auf den ersten Blick kompliziert, das Beste ist, man hört zunächst auf seine eigene Intuition. Probiere herum, versuche von einem Bild mehrere Versionen zu erstellen und beurteile dann, welches Seitenverhältnis für dich am stimmigsten wirkt. Höre auf dein Gefühl, denn die Fotografie ist trotz der Technik noch immer eine Angelegenheit des Gefühls.
Und zum Schluss noch ein paar Beispiele, wo ich das Seitenverhältnis geändert habe, um die Bildwirkung zu verbessern. Links das native Seitenverhältnis der Kamera und rechts mein gecropptes Bild.