Was ist FOMO?
Was ist das eigentlich genau, dieses FOMO?
Laut Wikipedia ist – “Die Fear of missing out (deutsch: Angst, etwas zu verpassen, Akronym FOMO) ist die Befürchtung, dass Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Entscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten, verpasst werden. Damit einher geht die Angst, dass Entscheidungen bezüglich möglicher Teilnahme, bereut werden könnten“
Also einfach ausgedrückt, als Fotograf hat man Angst, dass, wenn man heute nicht aufsteht, den einzigen wundervollen Sonnenaufgang zu verpasst, den man je erleben würde. Ich glaube das kennt wohl jeder, wenn draussen die Stimmung am absoluten Höhepunkt ist, man aber im Büro oder in der Werkstatt festsitzt. Man blickt sehnsüchtig nach draussen, auf das wahnsinnige Licht, die Wolken, man weint innerlich all dem nach, was man versäumt zu fotografieren. Man verpasst die Superlative, das beste Licht das es je gegeben hat.
Meine letzte Fototour
Bei meiner letzten Fototour im Gesäuse, kam genau dieses Gefühl in mir auf. Ich war nicht darauf vorbereitet, der Wetterbericht war eher bescheiden und ich stellte mich eher auf eine schöne Wanderung ein, als auf eine großartige Fotosession. Auch als ich am Parkplatz ankam, vermutete ich noch nichts. Erst als ich einen Höhenmeter nach den anderen machte und der Nebel immer mehr wurde, sah ich das Potential. Ich wusste ja, was mich oben Landschaftlich erwarten würde. Ich hatte Angst, zu spät zu kommen. Ich legte also einen Zahn zu und strich die ganzen B-Roll Sequenzen für mein Video. Ich kam an ein paar Motiven vorbei, die nur allzu verlockend waren. Ich blieb kurz stehen und wägte ab. Wie lange brauche ich um die Kamera aufzustellen, eine Bildkomposition zu finden und wie lange würde sich diese Stimmung halten. Nach einigen wertvollen Minuten entschied ich mich weiterzumarschieren. Ich wollte zu dieser Alm.
Je näher ich dieser Alm kam, desto spannender und atemberaubender wurde die Lichtstimmung. Es herrschte dichter Nebel, die Sonne fuhr seitlich durch den Nebel und ließ in teilweise gelb orange leuchten. Wo gehe ich hin? Wo positioniere ich mich? Welches Motiv soll ich wählen? Was, wenn ich nichts vernünftiges finde? Ich habe so eine tolle Stimmung und vielleicht kein Motiv. Stress machte sich breit. Ich hatte Angst, das ich diese Stimmung nicht ausnutzen konnte.
Ich kletterte mit schnellem Schritt auf einen Hügel, der Kühen im Sommer als Weide dient, dementsprechend war der Boden beschaffen und ich musste aufpassen, nicht meinen Knöchel zu verdrehen. Ich stand also nun oben und überblickte die Alm. Das Seitenlicht war weg, der Nebel dicht und bläulich. Immer noch wunderschön aber das spannende Element Licht war weg.
Ich habs verpasst! Was nun? Kamera aufbauen und warten, oder doch weitergehen und mein Glück oben in den Bergen versuchen? Aber vielleicht herrscht weiter oben ja gar kein Nebel mehr.
Ich versuchte mich zu beruhigen und die Lage einzuschätzen. Ich machte mir klar, dass egal wie ich mich entschied, ich es nicht wissen würde, wo das beste Licht sein würde. Gehe ich weiter, weiss ich es von diesem Platz nicht, bleibe ich, weiss ich es oben in den Bergen nicht. Ich entschied mich zu bleiben und zu warten.
Ich baute meine Kamera auf und versuchte durch den dichten Nebel mir eine Bildkomposition zu suchen, was nicht leicht war. Der Nebel wurde zeitweise so dicht, dass ich fast überhaupt nichts mehr erkennen konnte. Ich musste auf die jeweilige Situation reagieren. Sobald sich wo eine Lücke auftat, Bäume zu erkennen waren, an einem Hang traumhaftes Licht auftauchte, schnappte ich mir meine Kamera und versuchte eine ansprechende Bildkomposition zu bekommen.
Ich verbrachte über eine Stunde auf diesem Hügel und wurde mit ein paar herrlichen Motiven beschenkt. Ich war froh, das ich gewartet habe.
Geht man raus oder bleibt man zuhause? Der Social Media Druck
Man steht immer vor der Wahl, geht man raus und versucht sein Glück, oder bleibt man am besten zuhause. Nur eines kann man sich gewiss sein, man verpasst immer irgendwas. Ob es nun ein schönes Bild ist oder einfach nur eine schöne Wanderung. Wenn ich zuhause sitze, beim Fenster rausblicke und das Wetter ist alles andere als einladend, ich aber ein schlechtes Gewissen bekomme wenn ich nicht mit der Kamera losziehe, befinde ich mich dann immer in einer Zwickmühle. Wenn ich nicht gehe, verpasse ich was oder wäre es eh nur Zeitverschwendung? Vielleicht finde ich ja heute trotzdem ein tolles Motiv unter diesen schlechten Bedingungen?
Geht man nicht, findet man sich wahrscheinlich bald auf Instagram oder Youtube wieder. Man sieht was die anderen so machen und welche Freude es ihnen bereitet. Man bekommt Sehnsucht, man will auch was machen, man wird motiviert aber dann blickt man wieder beim Fenster raus.
Social Media hat sicher seine Vorteile um sich zu vernetzen und sich auszutauschen aber genauso seine Nachteile um das Gefühl, etwas zu verpassen, zu verstärken. Mir geht es zumindest so, wenn ich mir ein Video von Adam Gibbs anschaue wie er im Carmanah Regenwald steht und fotografiert. Am liebsten würde ich den nächsten Flug buchen. Aber soll ich dir ein Geheimnis verraten? Auch dort gibt es mieses Wetter. Gibt es Zeiten ohne gutem Licht oder Stimmungen. Ich war da, im Carmanah Walbran Provincial Park, ich hab dort fotografiert und die Nacht im Jeep war furchtbar. Fast die ganze Nacht starker Regen, dass ich schon dachte, er durchschlägt das Jeep Dach. Natürlich sind das Erfahrungen die ich nicht missen will auf so einer Reise, aber fotografisch gesehen war es unter diesen Umständen nicht besser als zuhause unter solchen Wetterbedingungen. Der einzige Unterschied, in Kanada blickte ich beim Fenster des Jeeps hinaus.
Lange Rede kurzer Sinn, es sind nur Ausschnitte aus dem Leben anderer, man sieht nicht wieviel sie schon verpassten, wie lange es dauerte, dass sie solche Bedingungen erleben durften. Man schaut sich ein Bild nach dem anderen an, ein Video um Video und denkt, die haben ein geiles Leben. Aber wieviel haben die schon verpasst, bis sie dieses oder jenes Bild bekommen haben?
Die Bürde des Vollzeit Beschäftigten
Schon einige Male erwähnt, übe ich die Fotografie nicht Vollzeit aus und habe wie ihr auch, nur das Wochenende um meiner Leidenschaft nachzugehen. Wie oft habe ich auf dem Weg zur Arbeit, oder wenn ich mit einem Kundenauto auf Probefahrt unterwegs war, traumhaftes Licht beobachten müssen. Im Winter, wenn morgens oder sogar den ganzen Vormittag über herrlicher Frost herrschte, gepaart mit Sonnenschein. Oder ein abklingendes Gewitter gegen Abend hin. Man steht noch in der Arbeit, möchte aber am liebsten weg und mit der Kamera diese atemberaubende Stimmung einfangen. Und als ob jemand dies absichtlich herbeiführen würde, am Wochenende dann nichts. Kein Licht, keine Stimmung und kein Frost. Nichts ausser trübes Wetter. Als würde jemand gegen uns arbeiten. Natürlich ist dies nicht der Fall, aber man bekommt durchaus den Eindruck. Das ist leider nun mal das Los, dass man als Berufstätiger hat. Man trauert dem Licht, das unter der Woche herrschte nach.
Das einzige was ich dagegen tun kann, ist ruhig zu bleiben, mir klar zu machen, dass ich jetzt nichts daran ändern kann und es zu akzeptieren. Ich versuche, den Moment, den ich geschenkt bekomme anzunehmen und zu geniessen. Sich jetzt fertig zu machen, wie ich es immer wieder getan habe, und den Moment, die Stimmung zu verfluchen, bringt nichts. Solche Situationen kommen und gehen. Immer wieder!
Besondere Situationen sind nicht einmalig
Ein herrlicher Sonnenaufgang ist nichts Besonderes und schon gar nicht einmalig. Er kommt immer wieder. Man ist oft der Meinung, dass man jetzt etwas einmaliges verpasst hat, dass so ein Moment nie wieder kommen wird. Das ist nur zu einen sehr kleinen Teil wahr. Genau dieser Moment kommt nie wieder, aber dafür viele Andere. Man muss nur vorbereitet sein, man darf nicht aufgeben. Sollten sich mal ein paar Wochenenden in Folge als nicht optimal erweisen, schlägt sich das natürlich auf das Gemüt. Zu der Zeit, wo ich diesen Artikel schreibe, habe ich bereits an die drei Wochenenden ohne gutes Fotolicht auskommen müssen, das Wetter war alles andere als Kooperativ und bot mir neben Regen, Schneematsch und einem grauen Himmel nicht viel, mit dem ich was anfangen hätte können. Bei meiner Freundin in der Steiermark hingegen war herrlichstes Wetter und Schnee ohne Ende. Ich freute mich, an dem kommenden Wochenende einen Tag lang im Schnee mit der Kamera herumzuwandern. Aber leider machte mir meine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung und rechtzeitig vor dem Wochenende lag ich flach.
Aber wie hoch stehen die Chancen, dass ich so etwas nicht wieder erleben würde? Würde ich nie wieder im Schnee bei herrlichen Wetter fotografieren? Nein, bestimmt nicht. Nur momentan fühlt es sich so an, als ob ich die einzige Möglichkeit verpasst hätte.
Ups! Du bist bei uns im Podcast erwähnt worden… 😉
https://www.foblofon.de/weitermachen/
Vielen Dank für die Erwähnung und behandeln meines Blogartikel. Hab mir gerade euren Podcast angehört, sehr interessantes Format.
Danke für diesen Blog Beitrag. Genauso geht es mir auch manchmal. Die letzten male, an dem Stausee (wo ich immer den Eisvogel mit 99% Erfolgsquote fotografieren durfte) flog er vielleicht nur einmal in 4h vorbei. Dennoch habe ich jedes mal ein tolles „anderes“ Bild mit nach Hause genommen. Waren es die Krickenten, Rotkehlchen, Meisen, usw……
Jeder Moment ist kostbar und man sollte es einfach genießen, egal wie es ist!
Liebe Grüße aus der schönen Südoststeiermark
Mattias
Vielen Dank Mattias für deinen Kommentar.
Man glaubt, solche Momente sind einmalig, aber sie kommen in unterschiedlicher Form immer wieder.
Grüße Jürgen